Wir sprechen über die Cloud, als wäre sie ein Ort über den Dingen – leicht, abstrakt, irgendwo zwischen Himmel und Internet. Doch die Cloud existiert nicht, zumindest nicht so, wie wir sie uns vorstellen.

In Wahrheit ist sie eine Sammlung aus Millionen physischen Servern, die in riesigen Hallen stehen – kühl, laut und energiehungrig. Jeder gespeicherte Chat, jedes Foto, jede KI-Anfrage wird hier verarbeitet. Wenn wir also Daten „in die Cloud“ laden, speichern wir sie nicht in der Luft, sondern auf dem Computer eines anderen Menschen.


Wo die Cloud wirklich steht

Hinter dem digitalen Mythos stehen massive Rechenzentren in Ländern wie den USA, Irland, Finnland oder Deutschland. Sie sind dort, wo Energie günstig und Kühlung einfach ist – häufig in der Nähe von Wasserkraftwerken oder kalten Klimazonen.

Allein in Deutschland verbrauchten Rechenzentren 2022 laut der Deutschen Energie-Agentur (Dena) rund 17,9 Terawattstunden Strom, was beispielsweise dem jährlichen Bedarf von 5 Millionen Haushalten oder Berlin entspricht. Umgerechnet verursacht dieser Stromverbrauch rund 8–9 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen – so viel, als würde man 8 Millionen Tonnen Steinkohle verbrennen.

Ein Großteil davon entfällt auf KI-Anwendungen und Cloud-Dienste. Weltweit könnten Rechenzentren laut der Internationalen Energieagentur (IEA) bis 2030 ihren Stromverbrauch verdoppeln, vor allem durch KI-Workloads.

Denn jedes neuronale Netz, jede Bildgenerierung und jede Chat-Antwort braucht Rechenleistung – und Rechenleistung braucht Strom. So viel Strom, dass Sam Altman, CEO von OpenAI, seinen Nutzern bereits geraten hat, sich nicht mehr bei ChatGPT zu bedanken.


Wer die Cloud besitzt

Die Cloud ist nicht dezentral. Sie gehört zu großen Teilen wenigen Unternehmen wie Amazon Web Services, Microsoft Azure und Google Cloud. Diese kontrollieren nicht nur die Infrastruktur, sondern auch den Zugang zu Daten, auf denen ein großer Teil moderner KI aufbaut.

Solch eine Konzentration schafft Abhängigkeit – für Start-ups, Forschungseinrichtungen und Regierungen gleichermaßen. Wenn ein KI-System trainiert wird, laufen die Modelle über die Server dieser Anbieter. Damit liegen nicht nur Daten, sondern auch Innovationskraft und digitale Souveränität in privaten Händen.


Verbindung zur KI

Jede Interaktion mit einem KI-System – ob Chat, Bildgenerierung oder Analyse – läuft über diese Infrastruktur. Unsere Prompts, Texte und Bilder werden auf Cloud-Servern verarbeitet, gespeichert und teilweise zur Verbesserung der Systeme genutzt.

Viele Nutzer wissen nicht, dass ihre Eingaben in Websites oder Online-Assistenten nicht lokal bleiben, sondern Teil riesiger Datenströme werden. Diese Daten sind wertvoll, und deshalb sind große Konzerne auch sehr darauf aus, sie von ihren Nutzern abzugreifen und zu speichern. In der Vergangenheit war hier eher gezielte Werbung im Fokus, aber mittlerweile helfen Nutzerdaten beim Training von KI-Modellen. Sie verfeinern Sprachmuster und verbessern Reaktionsgenauigkeit. Doch das wirft auch Fragen auf: Wem gehören die Daten unserer Gespräche mit KI – uns oder den Servern, auf denen sie liegen?


Der Preis der Bequemlichkeit

„Die Cloud ist einfach“, heißt es. Keine ständigen Backups, keine Festplatten zu Hause, und trotzdem alles verfügbar. Doch diese Bequemlichkeit hat ihren Preis – ökologisch und gesellschaftlich.

Laut der Carbon Trust-Analyse verursachen Rechenzentren bereits bis zu 3 % des globalen Stromverbrauchs. Mit der wachsenden KI-Nutzung wird dieser Anteil deutlich steigen. Hinzu kommen seltene Erden, Kühlungssysteme, Wasserverbrauch und der enorme Flächenbedarf solcher Anlagen.

Besonders kritisch ist der Wasserverbrauch, der bislang selten thematisiert wird.

Rechenzentren benötigen Millionen Liter Wasser pro Tag, um ihre Server zu kühlen – oft in Regionen, die ohnehin unter Wasserknappheit leiden.

Laut einer Untersuchung der University of California, Riverside kann das Training eines großen KI-Modells so viel Wasser benötigen wie die Kühlung von 300 Haushalten über mehrere Monate.

Microsoft berichtete 2022 selbst von einem 34 % Anstieg des Wasserverbrauchs in seinen Anlagen, hauptsächlich durch KI-Lasten und Cloud-Prozesse.

Die Cloud mag digital wirken – doch hinter jedem Datenpaket stehen reale Ressourcen: Strom, seltene Materialien und Wasser.


KI, Ethik und die Verantwortung des Speicherns

Die Verbindung zwischen KI und Cloud ist symbiotisch – aber auch riskant. Künstliche Intelligenz lebt von Daten, die in der Cloud lagern. Doch diese Daten repräsentieren Menschen, Gespräche, Emotionen. Wenn wir die Cloud durch Interaktionen mit KI füttern, füttern wir sie, vor allem im persönlichen Gebrauch, mit Daten, die sehr privat sein können. Diese Daten sind somit auch abrufbar für Mitarbeiter besagter Konzerne (z. B. bei Wartungsarbeiten), Subunternehmen, Behörden, Dienstleister (z. B. der Server) oder Hacker.

In der öffentlichen Debatte um KI geht es oft um Bias, Transparenz oder Jobverluste. Doch selten sprechen wir über die Infrastruktur, die das alles erst möglich macht. Ohne Rechenzentren gäbe es keine generative KI, keine personalisierten Empfehlungen, keine synthetischen Stimmen.

Deshalb braucht es hier klare ethische Leitlinien:

  • Transparenz, welche Daten gespeichert werden und wie sie genutzt werden.
  • Nachhaltigkeit in Energie- und Wasserverbrauch der Rechenzentren.
  • Souveränität, damit Daten nicht in der Hand weniger Konzerne bleiben.

Der unsichtbare Spiegel

In gewisser Weise ist die Cloud ein Spiegel unserer digitalen Kultur: Wir outsourcen Speicher, Denken und schließlich Verantwortung – und merken kaum, wie abhängig wir davon geworden sind.

Wenn ein Chatbot antwortet, antwortet nicht „die KI“. Es antwortet ein globales Netzwerk aus Servern, Kabeln, Daten und Algorithmen. Die Cloud ist also kein fiktiver Ort. Sie ist ein physisches System aus technischer Infrastruktur und vertraulichen Daten – beides Bereiche, die aufgrund der schnell voranschreitenden Entwicklung von KI mehr Aufmerksamkeit brauchen – Stichwort: nachhaltige Integration von KI in existierende Prozesse, nicht nur „Hype-Integration“.


Fazit

Die Cloud ist weder mystisch noch grenzenlos – sie ist ein physischer Ort mit realen Kosten. Wir sehen nur die Bequemlichkeit, nicht die Abhängigkeit. Nur die Effizienz, nicht die verbrauchte Energie.

Und selten sehen wir, wie viel Wasser dafür verdunstet, dass unsere digitalen Anwendungen reibungslos laufen. Bis zu welchem Punkt rechtfertigt der Nutzen von KI und Co. den Einsatz lebenswichtiger Ressourcen – und ab wann übersteigt ihr Verbrauch an Strom, Wasser und Fläche das Maß, was wir uns als Menschheit leisten können?

Gerade im Zeitalter von KI sollten wir uns daran erinnern: Alles, was wir der Cloud anvertrauen, liegt auf jemandes anderen Computer. Und je mehr wir dort ablegen, desto mehr geben wir auch ab – an Kontrolle, an Autonomie, an Energie und an Wasser.

Die Cloud existiert nicht, aber die Konsequenzen ihres Konzepts sind für uns Menschen real.

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